Transformation Perspectives Series 08

Welche Faktoren braucht es für erfolgreiches Empowerment?

 

Empowerment wird meist als das Erhöhen des Autonomiegrades und der Selbstbestimmung von Angestellten definiert. Zahlreiche Beispiele in Firmen wie Spotify, Zappos und Patagonia haben gezeigt, dass dezentrale, selbst-organisierte Teams mit einem hohen Grad an Autonomie aussergewöhnliche Resultate hervorbringen können. Zudem zeigt die Forschung, dass das „Empowern“ von Angestellten zu besseren Arbeitsleistungen, höherer Arbeitnehmerzufriedenheit und Engagement führt.

Nun liegt es nahe, dass Führungskräfte auf das „Empowerment-Hype“ aufspringen und ihren MitarbeiterInnen mehr Autorität und Entscheidungsfreiheit delegieren. Häufig wird dabei jedoch vergessen, dass Autonomie alleine nicht zu besseren Resultaten führt. Ohne die richtigen Grundvoraussetzungen kann Empowerment zu Überforderung von Angestellten, Fehlentscheidungen, und letztendlich tieferer Produktivität führen.

Welche Faktoren sind Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches „Empowerment“? 

 

  1. Ein transparentes und konstruktives Arbeitsklima schaffen, in dem Unsicherheiten und Fehler offen diskutiert werden können. Da die Erhöhung des Autonomiegrades neue Herausforderungen mit sich bringt, die den Mitarbeitenden häufig aus seiner Komfort-Zone herausbewegen ist es essentiell, dass offene Fragen, Zweifel oder dass potentielle Schwierigkeiten nicht verschwiegen oder verheimlicht, sondern offen diskutiert werden können. Hier gilt, dass das Vorleben dieses Verhaltens ein Grundbaustein im Aufbau eines transparenten und konstruktiven Arbeitsklimas ist.

 

  1. Eine gemeinsame Ausrichtung kreieren:
    1. In einer inspirierenden Vision und Purpose
    2. In der Strategie
    3. In den Werten und Verhaltensgrundsätzen

 

Als Grundvoraussetzung für gute Entscheidungsfindung muss Klarheit bestehen im Bezug auf das angestrebte Ziel (die Vision), die Prozesse und Strukturen, die dorthin führen (Strategie) sowie auf die gemeinsam gelebten Werte und Verhaltensgrundsätze. Dieser Aspekt wird im naiven Empowerment häufig unterschätzt, und führt dann zu Fehlentscheidungen, Missmanagement und überforderten Angestellten. Gemeinsame Ausrichtung bedeutet jedoch nicht nur, dass die Vision, die Strategie und die Werte klar sind und verständlich kommuniziert werden, sondern dass diese verinnerlicht werden und sich Angestellte bis zu einem gewissen Grad damit identifizieren. Eine gemeinsame Sprache, geteilte Modelle und Erfahrungen, die referenziert werden können, unterstützen die gemeinsame Ausrichtung dabei.

Eine bildliche Darstellung der Wichtigkeit eines (gemeinsamen) Ziels liefert die Szene aus Lewis Caroll’s Buch „Alice im Wunderland“, in der Alice an eine Weggabelung kommt und die Grinsekatze fragt, welchen Weg sie nehmen soll. Da Alice jedoch nicht weiss, wohin sie möchte, antwortet die Grinsekatze: „Wenn du nicht weisst, wo du hinwillst, ist es egal, welchen Weg du einschlägst.“

 

  1. Loslassen, und zwar richtig. Häufig heisst das, dem Mitarbeitenden einen Vertrauensvorschuss zu schenken im Sinne von Kontrolle abgeben und offen sein dafür, dass entstehende Lösungen oder Vorschläge nicht unbedingt 100prozentig meinen Vorstellungen entsprechen werden. Häufig ist dies der schwierigste Schritt, insbesondere für Führungskräfte, die gerne den „Überblick“ und die Kontrolle wahren. Ohne diesen Schritt wird jedoch Empowerment scheitern, da es gezwungenermassen zu einer Diversifikation von Lösungen führt. Und diese Diversifikation ist genau der Geburtsort von Innovation.  Nur wenn die Führungskraft willig ist, sich auf neue Lösungen einzulassen, wird das Empowerment sowohl für die Führungskraft wie auch die/der MitarbeiterIn zum Erfolgserlebnis. Ganz nach Steve Jobs: “It doesn't make sense to hire smart people and then tell them what to do. We hire smart people, so they can tell us what to do.”

 

Wenn diese drei Grundvoraussetzungen erfüllt sind, kann das wirkliche Empowerment vollzogen werden: das Erhöhen des Autonomiegrades und der Entscheidungsfreiheit. Es scheint uns wichtig zu betonen, dass dies der letzte Schritt ist und ein transparentes Arbeitsklima, eine klares Ausrichtung sowie gegenseitiges Vertrauen „condition sine qua non sine“ sind.

Schaut man nun das Spannungsfeld von Ausrichtung und Autonomie an, entsteht eine interessante Matrix:

 

 

  • Ist in einem Unternehmen sowohl die Autonomie und die Ausrichtung tief, finden wir häufig einen hierarchischen Führungsstil, der oft zu Mikro-Management, Silo-Mentalität und unilateralen Entscheidungen führt.
  • Wenn ein solches Unternehmen dann die Autonomie erhöht, um seine Mitarbeiter zu „empowern“, ohne zuvor die gemeinsame Ausrichtung der Werte und Ziele mit den MitarbeiterInnen vorgenommen zu haben, besteht die Gefahr, einen Zustand der Orientierungslosigkeit zu schaffen, in dem die Mitarbeiter Entscheidungen treffen, ohne die Ziele oder Werte des Unternehmens zu kennen bzw. ohne, dass diese gemeinsam festgelegt wurden. In diesem Fall kann die erhöhte Autonomie zu mehr Komplexität und Stress der MitarbeiterInnen führen, welches schlussendlich die Resultate des Unternehmens beeinträchtigt. (Siehe unteren rechten Quadranten von Abbildung 1).
  • Empowerment führt zu einem Mehrwert, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte eine gemeinsame Ausrichtung bezüglich der Vision und Ziele des Unternehmens haben. In diesem Fall führt eine höhere Autonomie der Mitarbeiter zu mehr Kreativität, zu agilen Lösungen für neu auftretende Probleme und zur Einführung von freiwilligem, positiven Verhaltens („organizational citizenship behavior“, d.h. Verhalten, das nicht offiziell anerkannt oder entlöhnt wird, wie beispielsweise ArbeitskollegInnen zu unterstützen oder nicht obligatorische Arbeitsaufgaben zu übernehmen - oberer rechter Quadrant).

 

Empowerment ist somit tatsächlich ein Ansatz, der, wenn er bewusst und zielgerichtet eingeführt wird zu besseren Arbeitsleistungen, höherer Arbeitnehmerzufriedenheit und höherem Engagement führt. Startpunkt ist wie immer dabei das Bewusstsein des Leadership(teams) bezüglich der relevanten Faktoren und das Vorleben und Verkörpern der skizzierten Vorraussetzungen.

 

 Dr. Mélanie Huser und Dr. Thomas Gartenmann

Das ist Teil der Transformation Perspectives Series von www.aergon.com